Nach all der Vorverurteilung und Hetzjagd im Internet also, nach all den Anfeindungen vom wütenden Mob, die bei der Gänsefüßchen-Affaire angeblich voreilige und falsche politisch motivierte Schlussfolgerungen gezogen haben, muss nun der so doch zu Unrecht Vorverurteilte Guttenberg die Notbremse ziehen und sich selbst vorverurteilen. Er kann doch noch gar nicht wissen, was bei der Prüfungskommision herauskäme, müsste es nun konsequent von seinen Unterstützern heißen. Doch ungeachtet dieser Vorgänge wird nun wohl das Augenmerk darauf gelegt werden, dass es schließlich um politische Inhalte ginge und nicht um den Doktortitel und, so muss es wohl auch lauten, schon gar nicht um den kriminellen Hintergrund. Guttenberg hat sich eine Karriere zusammengebastelt. Allein seine geschönte Biographie, wonach er zunächst in einem mittelständischen Unternehmen arbeitete und Erfahrungen in der freien Wirtschaft gesammelt hätte, wobei sich später dann herausstellte, dass dieses Unternehmen aus drei Mitarbeitern bestand, deren Aufgabe es war, das Vermögen der Guttenbergs zu verwalten, allein dieser Blendungsversuch hätte auch mich schon alarmieren müssen. Ich war kein Guttenbergfeind ganz und gar nicht, aber die Dreistigkeit mit der er nun versucht seinen Posten zu retten, zeigt nur noch eins, die gespielte Maske Guttenberg, die die erstarrte Mine als Gradlinigkeit ausdeutet.
In der Rede äußert sich die doch wankelmütige „fränkische Wettertanne“ so: "so weit kommt's noch, meine Damen und Herren, dass man sich nach einem solchen Sturm drücken würde (.) so weit kommst noch". Stürme könnten ihn nicht umhauen. Mit offensiver Demut entschuldigt er sich bei allen, die er mit seinen Plagiaten (geistiger Diebstahl, um das mal zu betonen, und nicht nur das, sondern auch Erschleichung von Titeln und damit wiederholter Betrug) verletzt haben könnte.
Aber mir geht es auch nicht um das einzelne Vergehen hier, sondern um den Angriff auf das Ganze unseres Moralsystems, dass auch auf der ehrlichen Erarbeitung von Anerkennung und Respekt basiert. Der Doktortitel ist hier eine Institution, der ausdrückt, dass jemand an der Sache interessiert ist und sich wissenschaftlich ausgewogen ohne politische Verfremdung mit Sachverhalten auseinandersetzen kann. Der Doktortitel ist Symbol für Sachkompetenz. Es geht also darum, welches Verständnis wir von unserem Bildungssystem abverlangen. Wenn wir nun zulassen, dass ein Mann den Doktortitel ins Abseits bringt, um seine Karriere zu retten, so müssen wir uns fragen, worauf wir in Zukunft unsere Anerkennung ausrichten wollen. Etwa am Mediengeschick?
Aber der Mann Guttenberg, der sich als „Original und nicht als Plagiat“ versteht, versucht nun den Doktortitel zu diskreditieren. Er sei nicht als Selbstverteidigungsminister, habe aber doch „guten Grund […] zu kämpfen". Man verlasse das Schiff nicht. Man bleibe an Deck und halte die Dinge durch. Er musste sich erst am Wochenende nochmal die Arbeit durchlesen, um sich zu erinnern, dass da ja ein paar Stellen waren, die nicht von ihm waren. In gebotener Ruhe habe er festgestellt, dass es richtig war, den Doktortitel nicht zu führen. Wobei er zuvor doch sagte, er wolle ihn vorrübergehend ablegen.
Um juristisch im Reinen zu bleiben und vor möglichen strafrechtlichen Konsequenzen zu entfliehen, muss Guttenberg dann wohl feststellen, er habe diese Fehler nicht bewusst gemacht. Der Mann ist ehrlich, sagt sich der gute Bürger da. Die Wissenschaft verstehe von dieser Verwurzelung im Leben nichts, da könne es schon vorkommen, dass jemand mal gut 50% seiner Doktorarbeit zusammenklaut, wenn es nicht sogar die ganze ist. Doch er habe den Überblick über die Quellen verloren, kann hier doch kein Argument sein, da kaum eine Stelle noch von ihm ist. Als Mensch mit Fehlern und Schwächen jedoch stehe er nun zu diesen Fehlern, heißt es weiter. Vielen Dank. Wer diesem Mann noch vertraut, der versteht nicht, was es bedeutet, sich über Jahre mit intensiver Arbeit einem Thema zu nähern und sich so Sachkompetenz aufzubauen. Die fränkische Wettertanne wird wohl diesen Skandal einfach durchsitzen und dem gerechtfertigten Sturm der Entrüstung seitens von Wissenschaftlern trotzen. Damit aber bringen wir unser System, das auf der Expertenkompetenz basiert in Verruf. Wer möchte denn zum Beispiel einen Dirigenten haben, der dieses nicht kann? Wer möchte von einem Arzt behandelt werden, der nicht das nötige Zeugnis dafür aufbringt? Wer möchte, dass Politiker unser Land verwalten, die es nötig haben Expertenkenntnis vorzugaukeln und dabei sogar vor dem Schritt in die Kriminalität nicht zurückschrecken?
Hier nun die Rede von gestern:
Und was meint der Bürger dazu? Alles nur Schlammschlachten, Politisches sollte im Mittelpunkt stehen, macht den guten Mann nicht kaputt, Scheiß auf den Doktortitel
Auf der Unterstützerseite heißt es nun trotzig und da solltet ihr alle mal nachschauen, denn es gefällt mittlerweile 186.000 Menschen (http://www.facebook.com/home.php#!/ProGuttenberg):
"Tomas Aquinas
Peinlich ist, wie sich die Journaille als Meute auf jemanden stürzt. Und wie sich einige Leute, die wahrscheinlich selber keinen richtigen Satz zu Papier bringen, an dieser Jagd beteiligen - als oberste Inquisitionsbehörde (z.B. GuttenPlag)... Mir persönlich ist es ****egal, ob der Mann abgeschrieben hat oder nicht. Meine Sympathie hat er trotzdem."
Letztlich bringen alle Kommentar nur das gleiche zum Ausdruck. Egal wie kriminell er ist, er ist sympathisch. Argumente hin oder her, er macht einen guten Job (warum eigentlich?). Die Bundeswehrreform kann doch jeder bei Finanzzwängen, womit man die gesamten anderen Ministerien hinter sich hat durchführen, aber das ist ein anderes Thema.
Ich frage ganz ehrlich: Sind wir wirklich dafür, dass ein Vergehen wie vom Bundesverteidigungsminiser Dr. Guttenberg unbestraft bleiben soll? Sollten wir nicht alle den Rücktritt fordern oder wollen wir Ungerechtigkeit in dieser Gesellschaft einfach so durchgehen lassen? Wie viele ohne Doktortitel fühlen sich benachteiligt, würden aber deswegen niemals das moralische System hintergehen? Genau diese müssten sich doch zu Wort melden. Ich behaupte, dass die Mehrheit noch unkorrumpiert ist und daher diesen Fehler nicht ohne weiteres entschuldigen darf.
Ich bin also gegen eine oberflächliche Verharmlosung der erhobenen Vorwürfe.
Hier nun der Link zur Facebookgruppe für den Rücktritt Guttenbergs: http://www.facebook.com/home.php?sk=group_195260340499096
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen