Mittwoch, 9. Februar 2011

Deutschland gegen Italien im Stadion – Die schlechteste Stimmung aller Zeiten

Kevin Großkreutz lässt vor der Partie gegen Italien noch Folgendes verlauten:

„In unserem Stadion herrscht die beste Stimmung in Deutschland. Deshalb hoffe ich, dass die Zuschauer auch die Nationalmannschaft nach vorne peitschen werden.“ (Quelle: http://www.sport1.de/de/fussball/fussball_dfbteam/artikel_348710.html)

Ich hätte den Herren gerne mit allem Jubel, Röhren und Kreischen heiser nach vorne gepeitscht, doch die einzige Stimme im Stadion, die zuweilen zu vernehmen war, war meine und das reicht nicht.

Deutschland gegen Italien Halbzeitpause

Nun in den allgemeinen Kommentaren heißt es, dass die Nationalmannschaft stark begann und dann leider wegen erstarkender Italiener verlor (subjektiv haben wir dann auch verloren ;). Wie dem auch sei, im Stadion bewerten wir Partien nun ganz anders. Die subjektive Perspektive, die Geschwindigkeit, die fehlenden Zeitlupen setzen einem der subjektiven Beobachtung des Spielgeschehens aus. Einer muss sich in den Wellen der Fans bewegen, der Fachkompetenz seiner Sitznachbarn glauben. Diese besteht daraus das Spiel mit Stimmung zu begleiten. Wegen diesem Geschehen gehen wir doch ins Stadion. Wenn wir das Spiel in Ruhe analysieren wollten, so könnten wir das mit Sicherheit auch am Fernsehen (auch wenn bei den schlechten Kameraperspektiven die Raumaufteilung nicht zu beurteilen ist).

Um es mal zusammenzufassen: Das Deutsche Länderspiel war eines der langweiligsten Länderspiele, die ich in meiner Laufbahn als Stadion-Ultra Hooligan erleben durfte, denn so kam ich mir bisweilen vor. Während jedes Bezirksligaligaspiel von Ober-unter-Erkenschwick gegen Buxtehude Fallingborstel Re-United mehr Stimmung verbreitet, wurde ich doch ständig von den kalkweißen Daunensynthetikjacken tragenden und mit kleinen Rucksäckchen beladenen 20-jährigen Sitzfleischomis ständig ermahnt, mich hinzusetzen - und das schon vor Spielbeginn! Da war es schon peinlich beim Tor in der 16. Minute aufzuspringen und zu jubeln. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich tatsächlich geglaubt im schüchternen Italienerblock in der Nordkurve zu sitzen und die Südkurve einfach nicht zu hören. Es war für mich überraschend als sich entpuppte, dass noch andere Menschen da waren. Dieser Moment war im Übrigen der einzige, wo jemand jubelte.

Ohnehin wundere ich mich schon lange, warum bei Länderspielen nur Sitzplätze existieren. Soll das Länderspiel damit auch für Rentner und Familien attraktiv gemacht werden? Wie wäre es mit einer Kurve in der die Verantwortlichen kleine Plastikbällchen hineinschütten,  für unter dreijährige, die darin toben könnten oder noch besser, gleich einer Schlaftribüne? Ich wäre mir sicher, dass ein Kindergarten oder ein Schnarchkonzert mehr Laune verbreitet. Die Italiener bestimmten zumindest die Stadionstimmung. Ich hätte daher eher darauf getippt in Italien als in Deutschland zu sein.

Wie sah es vor dem Tor aus? Die Deutsche Mannschaft umspielte in den 80er Minuten wie im Training mit überlegenem Passspiel die Italiener. Sie hielten für Minuten bei schweigender Stille den Ball. Die Spieler zeigten schon das ganze Spiel keine Anspannung und Nervosität, denn es war ja wie vor eine Zombiekulisse. Blöde Eventfans, spielt doch wenigstens den Hooligan, wenn ihr unbedingt Fußball erleben müsst! Plötzlich kam der Ballverlust, was die Deutschen womöglich gar nicht bemerkten, da die „Fans“ das, auch ohne mit der Wimper zu zucken, aushielten. Die Folge 1:1. Aber wen interessierte das schon. Als ich zu meiner Sitznachbarin hinüberblickte und das ist kein Witz, lies diese ihre Zeitung.  Die Stimmungskanonen hinter mir tippten wieder auf meine Schulter, dass ich mich setzen sollte. Womöglich hatte jeder Deutsche Fan eine von den Italienern gestellte Politesse hinter sich, die darauf achtete, dass einer auch ja den Sitz wärmt. Ich drehte mich um, und sie zeigte mir den Moraldaumen nach unten. Bei jedem anstimmen von Fanchören kommt sich einer mit diesen Ordnungshütern im Nacken beobachtet vor. Verdammt! Ich bin dazu verleitet nur Menschen mit einem Mindestalkoholspiegel ins Stadion zu lassen. Doch zu allem Überfluss fragte die Dame neben mir noch, warum ich immer so laut pfeifen muss.

Warum also so zurückhaltend? Wir sind hier schließlich nicht zur Wahl gegangen. Bei dieser Mentalität möchte ich wissen, wir es eine deutsche Kultur jemals geschafft hat, den Sozialstaat durchzusetzen, aber vielleicht bedarf es ja hierfür gerade den Moraldaumen und das Sitzfleisch der Bürokraten ;)

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