Dienstag, 28. Oktober 2014

Im Menschentreibhaus kann nur ein Reicher uns retten: Material Sloterdijk



Norman Schultz: Was halten sie von Peter Sloterdijks Überlegungen zur Inklusion der Armen in eine Gesellschaft der Reichen?


Alfred Eisleben:
Der Reiche muss nach Sloterdijk in Zukunft Inklusion betreiben. Er kann nicht mehr den durchschnittsarmen Weltbürger die Überreste seiner Wohlstandsfete überlassen. Er kann auch nicht mehr zusehen, wie die Weltbürger sich auf ihrer Selbstmordparty feiern und niemand die Rechnung übernimmt.

Norman Schultz: Ist das Thema nicht ein sehr klassisches Thema in der Philosophie?

Alfred Eisleben: Ja, Sloterdijk wiederholt schlicht die Frage nach Gerechtigkeit, die bereits Platon in seinem Hauptwerk der Politea zur Reife brachte. In einer Welt, wo jeder sich vorrangig um das eigene Business kümmern soll, dort entstehen Externalitäten, wobei der Organismus der menschlichen Gesellschaft nicht über genügend Entgiftungsorgane verfügt, um dieses Treiben sich auch leisten zu können. Aufgrund der horrenden Ressourcenrechnung, die uns die Welt ausstellt, kann ein Reicher sich in Zukunft nur selbst retten, indem er die Gesellschaften rettet, die ihn tragen. In dieser Weise ist die Frage nach Gerechtigkeit schlicht die Frage nach Harmonie. Es geht also nicht direkt darum, dass der Reiche sich rettet, sondern darum, dass Harmonien schlicht etwas gutes sind.

Ich möchte auch noch Platons Überlegungen hinzufügen: In einer Gesellschaft in der es Bettler gibt, in dieser Gesellschaft gibt es auch Diebe.

Norman Schultz: Haben wir es mit der Umstellung der Gesellschaften mit einem historischen Materialismus zu tun, das heißt, dass die Weltgeschichte sich in einer Evolution höher entwickelt?

Alfred Eisleben: In einer Gesellschaft, die die Welt wie ein erdballgroßes Uhrwerk umspannt, müssen die Räder im Getriebe bei Öl bleiben. "[P]hilanthro-kapitalistische Makropolitik" steuere nach Sloterdijk daher auf den "spendablen Welt-Steuerstaat" zu. Ich weiß nicht, ob das notwendig der Fall ist. Momentan ist die Erde die einzige, globale Ressource, wobei der einheitliche Himmel unter unserer selbstverursachten Abgasglocke EIN Globus geworden ist. Die Reichen können tatsächlich keine Reservate mehr bauen, die sie von den anderen Weltbürgern trennen, weil schlicht kein Platz mehr ist. Der Reiche ist in globale Atemreichweite der Armen gekommen. Das dieser Trend aber notwendig zu einer besseren Gesellschaft führt, braucht nicht der Fall sein, insofern sich nämlich Reiche wieder eigene Reservate schaffen können, so bliebe die Ungerechtigkeit bestehen.

In anderen Worten, nur die momentane Gesellschaft muss sich durch Inklusion retten. Für mich aber bleibt die Frage bestehen, warum sollen wir gerecht sein und da halte ich es nicht mit Sloterdijk, sondern mit Nietzsche: weil wir stark genug sind, uns Gerechtigkeit zu leisten. Menschen haben eine innere Kraft nobel zu sein.

Norman Schultz: Da sie sich auch als Zukunftsforscher mit vielen Themen seit den 70ern beschäftigen, wie schätzen Sie die gegenwärtige Lage der Gesellschaft ein?

Alfred Eisleben: Im Menschentreibhaus erhitzen sich die Gemüter nun mit der Natur zusammen. Im Inneren unserer Konstruktion wurde die Natur stark internalisiert und unsere Handlungen verschwinden nicht mehr in der Weite der Natur, sondern sie kehren als Naturkatastrophen, als Rache unserer Handlungen zurück. Im Weiteren ist schon wie mein Lehrer Adorno feststellte, die Technik keineswegs mehr etwas, womit wir die Natur beherrschen, sondern die Technik ist eine zweite Natur, die uns rückwirkend bestimmt. Bestimmung und Fremdbestimmung gehen Hand in Hand.

Auf die rohe Situation jedoch gebracht, habe nach Sloterdijk die Natur nun ein Gedächtnis bekommen, das sich in allen zukünftigen Formen der Technik und Natur gegen uns wenden mag. Nach Adorno war dies der Rückschlag der Technik, die einst zur Befreiung geschaffen, doch nur neue Zwänge hervorbringt.

Für Adorno war allein die Kunst Befreiung.

Dieses Interview mit Alfred Eisleben bezog sich auf folgendes Interview von Peter Sloterdijk
http://www.sueddeutsche.de/kultur/peter-sloterdijk-ueber-zukunft-revolution-des-geistes-1.371816-3

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