Samstag, 18. Oktober 2014

Krisen, Reiche und Arme

Die vergangene Krise an den Börsen ist eine Krise der Staaten, die ihr Verschuldungsproblem niemals in den Griff bekamen. Dies aber ist nur die halbe Wahrheit. Dass bei der letzten Krise, die Staaten an ihre Finanzierungsgrenzen kamen, indem sie Banken retteten und die Wirtschaft mit milliarden-schweren Projekten unterstützten, ignorieren die Liberalen geflissentlich. Tatsache ist doch, dass die Wirtschaftskreisläufe nur zirkulieren, wenn die Gelder beständig umverteilt werden (der Zusatz muss aus ethischer Perspektive lauten: nach gerechten Prinzipien).

Ein Blutkreislauf folgt einem Lebensprinzip und ist wohl kaum die Freiheit des Marktes, der mit unsichtbarer Hand agiert. Die unbenannte Quelle des Lebens, das Lebensprinzip reicht in den Blutkreislauf hinein, genau wie es auch Gesellschaften bestimmt, es wäre vermessen hier von einer Selbstorganisation zu reden. Gehirne denken den Körper selbst, um Aufgaben der Selbstorganisation abzunehmen.


Diagram showing the circulatory system of the body CRUK 299
 By Cancer Research UK (Original email from CRUK) CC-BY-SA-4.0 
Wenn wir tatsächlich bei der überstrapazierten Metapher des Blutkreislaufes bleiben, dann können wir durchaus auch formulieren, dass sich an Ort und Stelle ganze Blutgerinsel gebildet haben, die zunehmend zu einer Gefahr der Finanzwirtschaft werden.

Reichtum kann in einer Gesellschaft nicht die geschickte Anhäufung von Geld sein, sondern muss immer in Bezug auf die tatsächliche und zukünftigte Leistung stehen. Reichtum ist auch kein festgefügtes Kapital, wie jeder Reiche, der seinen Reichtum gerne stabilisieren möchte. Nein, der Reichtum auf den Banken oder in Börsenpapieren ist immer nur so viel Wert, wie die Gesellschaft zu leisten vermag und wie die Gesellschaften zulassen.

Gesellschaften aber sind keine Bürger oder Einzelnen, Gesellschaften sind die Geister unserer Zeit.

Nun mag der ein oder andere Liberale glauben, dass ohnehin nur Leistung ausgegeben werde für Dinge, die sich auszahlten. Der Glaube mag sein, dass ein deregulierter Markt sich selbst reguliert.

Der Glaube an die unsichtbare Hand ist dabei wie ein Glaube an Gott. Doch so wie Betrüger im Alltag einen armen Tropf an der Haustür mit windigen Schneeballsystemen reinlegen, so sehe ich keinen Grund, warum ähnliches nicht auch an den Börsen passieren sollte. So wie wir Verbraucher hin und wieder von der Industrie getäuscht werden und Produkte kaufen, die vorne und hinten nicht stimmen, so ist dies auch durchaus in großen Wirtschaftssystemen möglich. Dies ist allerdings verborgener, da wir solcherlei Bewegungen zumeist nur in Zahlen erkennen. Wie reagiert daher ein durchschnittlicher Amerikaner (und damit habe ich viele Erfahrungen gemacht)?

Nun, er behauptet stolz und steif, dass große Unternehmen kein Interesse daran haben, Anleger und Investoren reinzulegen, denn sie würden damit ihr Unternehmen riskieren. Dieses stimmt nur in gewisser Hinsicht, denn wenn ich mit einem Unternehmen kurzfristige Gewinne einstreichen kann und dieses nach dem ich es vollkommen ausbluten lassen habe, es verlasse, dann mache ich den Gewinn für mich. Das Unternehmen spielt dabei eine geringfügige Rolle.

Amerikaner wollen daher eine vollständige Kapitalrevolution. Streiche die Hilfe den Armen, denn sie sind schließlich selbst schuld.

Nun bin ich wahrlich kein Experte, aber so wie es Betrüger auf unseren Straßen gibt, so gibt es mit Sicherheit auch findige Betrüger in den Büros und dort schlägt dann der Betrug stärker zu Buche, da die Dimensionen des Betrugs unsere gesamte Gesellschaft treffen.

Ein anderer Punkt ist, dass die Wirtschaft immer zurückbezogen ist auf die gesamte Gesellschaft. Das heißt, es kann keinen Reichen geben, ohne dass andere ihnen diese Möglichkeit verschaffen. Dies zu verdeutlichen ist ganz einfach. So können wir zum Beispiel fragen:

Wäre Warren Buffet auch der reichste Mensch der Erde geworden, wenn er auf einer einsamen Insel gelebt hätte? Welchen Reichtum hätte er dort erwirtschaften können? Vielleicht hätte er ein Haus aus Holz bauen können? Die immensen Reichtumer sind nur in Gesellschaften möglich und daher ist es sehr wohl richtig Leistung und gesellschaftliche Schuld zu verbuchen und damit rechtfertigen sich auch die Steuern, die gegen Reiche erhoben werden.

Die volkswirtschaftliche Frage ist natürlich wie diese Verbuchung aussehen soll. Diese Verbuchung ist mit Sicherheit immer wieder neu zu bestimmen, da das Ausmaß der Leistung auch variiert und in Einzelfällen ganz erheblich abweichen kann. Während zum Beispiel Bill Gates das hilfreichste Werkzeug aller Zeiten mit erfunden hat, so hat ein Mark Zuckerberg maximal eine Infrastruktur für das Internet auf den Weg gebracht, die nicht gerade durch ihre Innovationskraft besticht. Mark Zuckerberg hat an dieser Stelle viel stärker von bereits existierenden Reichtümern profitiert, so nämlich dem weltweiten Aufbau eines Telefonnetze, der Verbreitung von Internetanschlüssen und der Leistungsfähigkeit von Programmiersprachen. Dass er nun für eine minimal innovative Idee, die er in 4 Wochen umgesetzt hat, Milliarden kassiert, relativiert für mich alle Leistungen, die andere viel intelligentere Menschen vollbracht haben. Wo müsste auf diese Skala der Reichtum eines Einsteins oder eines Kants verbucht werden?

Da wir nun nicht davon ausgehen können, dass die Superreichen die Abhängigkeit ihrer Leistungen auch eingestehen, ist ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs sinnvoll. Über Reichtum kann nur demokratisch entschieden werden.

Dabei ist es auch sehr rational, dass die Wirtschaft in der Weise argumentiert, dass sie höhere Besteuerungen ablehnen. Nach Luhmanns Systemhypothese ist es unmöglich, dass Wirtschaften prinzipiell ethisch entscheiden, da sie ethische Entscheidung nur instrumental treffen, das heißt sie entscheiden nach Profitabilität einer wirtschaftlichen Entscheidung. Das heißt: Natürlich hat die Wirtschaft ein Interesse an einer ethischen Entscheidungen, aber nur, wenn es sich kurzfristig, mittelfristig und manchmal auch langfristig anhand der Bilanzen refinanziert. Das Problem dabei ist, dass eine ethische Entscheidung nicht immer profitabel ist und genau in diesen Punkten hat die Wirtschaft wenig Interesse. Wirtschaften müssen daher reguliert werden.

Dass die Superreichen sich hier ins eigene Fleisch schneiden, hat mittlerweile auch Warren Buffet verstanden. Spiegel Online zitiert:

"Meine Freunde und ich wurden lange genug vom milliardärsfreundlichen Kongress verhätschelt. Es wird Zeit, dass unsere Regierung endlich die Lasten gerecht verteilt."
Und Buffet erkennt noch mehr im Hinblick auf die tatsächlich erbrachten Leistungen. Zwar trägt er ein unternehmerisches Risiko (das er bei seinem Vermögen bereits nicht mehr direkt fürchten muss), im Vergleich zum existentiellen Risiko der Armen und Mittelklasse ist dies aber nicht zu vergleichen.

"Während die Armen und die Mittelklasse für uns in Afghanistan kämpfen und viele Amerikaner sich mühen, um über die Runden zu kommen, bekommen wir Superreichen weiter unsere Steuererleichterungen"
Hinzu kommen mit Sicherheit die Risiken, die Arme im Hinblick auf ihre Gesundheit tragen, denn dort ist das amerikanische System so eingestellt, dass derjenige eine bessere Gesundheit hat, der auch mehr Geld besitzt.

Die Statistiken von Spiegel Online zeigen im Übrigen sehr deutlich, wie die Demokraten sich mit den Verschuldungen der Republikaner regelrecht abmühen müssen.http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-70917.html

Natürlich sehe ich weltweit einen Anstieg des Wohlstands, aber wie Ulrich Beck bereits feststellte, handelt es sich um Fahrstuhleffekte. Das heißt der Abstand zu den Reichen ist in ungerechtfertigter Form geblieben.


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